02/07/2024 0 Kommentare
Winterkonzert: Rückblende - 10 Jahre Konzert
Winterkonzert: Rückblende - 10 Jahre Konzert
# Orgel-Förderverein

Winterkonzert: Rückblende - 10 Jahre Konzert
Christoph Wilcken - versunken in seiner Orgelwelt
Vor 45 Jahren begann sein Weg als Kantor in Berlin. Von 1989 bis 2018 war er Universalmusikdirektor, also Organist, Pianist, Cellist, Gitarrist, Blockflötist und Chorleiter an unserer schönen Rundkirche. Er konnte auch Kindermusik-Theater, Kantatenwerkstatt, Rock in der Kirche und Musiktherapie und Orgelschüler unterrichtet er immer noch. Und: seit 10 Jahren kümmert er sich intensiv um die wunderbaren Benefiz-Konzerte der Gemeinde – welch ein buntes und engagiertes und verdienstvolles Musikerleben!
Nun bestritt er am 24. Februar auch noch fast allein ein weiteres, gut besuchtes und wiederum wunderbares Winterkonzert an der Orgel, nur einmal begleitet von Niklas Krekeler (Orgel) und Till Dahlmüller (Trommel).
Der Auftakt war eine Orgelsonate von Carl Philipp Emmanuel Bach (1714-1788), dem „Berliner Bach“, die mit einem energischen Allegro begann, in ein zart-zögerlich flötendes Adagio überging und mit einem fröhlich hüpfenden Allegro schloss. Die musikalischen Nuancen waren ein wenig anders als bei Vater Johann Sebastian, er wohl schon auf dem Weg ins Rokoko.
Das zweite Stück wurde im Trio mit zweitem Organisten und Trommler vorgetragen und war durchaus etwas ganz Reizvoll-Besonderes: „Frost Flower, a new sound of an old instrument“ von Louis Hardin, genannt Moondog (1916-1999). Die Musik flunkerte mir einen nächtlichen geheimnisvollen Lagerfeuertanz von federgeschmückten Indianern (man soll sie heute „Native Americans“ nennen) vor. Die unnachgiebig rhythmisch monoton wummernde Trommel Till Dahlmüllers und die kontrapunktisch vierhändig wirbelnden Orgeltöne ergaben tatsächlich einen irgendwie indigenen „new sound“.
Nach der ersten Pause improvisierte Christoph auf originelle Weise seine etwas leichtere andere Orgelwelt, seine „Tabula cantoris“. Das wurde ein frohgemutes Potpourri aus schönen verschlungenen Ohrwürmern, bei denen ich „Yesterday“ von den Beatles und die Filmmusik „Spiel mir das Lied vom Tod“ heraushörte, aber auch andere, mir gut bekannte Melodien, deren Titel mir nicht alle einfielen. Schließlich erklang sogar ein wenig anrührend das traute „weißt du wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt?“
Dann folgte „Choral No.2 für große Orgel““ von Cesar Franck (1822-1890), bei dem Ulrich Tiel als Registrant mitwirkte. Das ist eines der berühmten drei Choräle, die er in seinem letzten Lebensjahr geschrieben hatte. Ich wurde mit dem mir harmonisch fremdartig klingenden Werk nicht recht warm. Das Frage-Antwort-Spiel zwischen den energischen Fußläufen unten und den filigran zarten Tongebilden der Hände oben und den schmetternden Klängen in der Mitte war interessant, aber ich fand keinen rechten gefühlsmäßigen Zugang. Andere Zuhörer waren begeistert.
Im letzten Drittel erklangen zunächst „Präludium, Fuga und Ciacona in C“ von dem Lübecker Bach-Vorläufer Dietrich Buxtehude (1637-1707), eine schöne, alte, wohl vertraute, auch durchaus kämpferische oder freudige Orgelmusik, bei der über einem Ostinato-Bass ein sich munter wiederholendes Melodie-Harmonie-Muster abläuft. Manche sagen Buxtehude habe dabei den Kampf zwischen David und Goliath vor Augen (und Ohren) gehabt.
Den Abschluss bildete wieder eine kleine Überraschung, das „Prelude, Cantilena § Festivo“ des Waliser Komponisten Robert Jones (geb. 1945) aus dem Jahre 2006 mit den wohlklingend-getragenen Harmoniefolgen eines Neoromantikers. Jones hat außer Messen und Liedern nicht weniger als acht Bände Orgelwerke geschrieben, man sollte ihn mal näher kennenlernen.
Natürlich wurde Christoph Wilcken mit heftigem anhaltendem Beifall belohnt. So gab es noch eine Zugabe, das ohrenbezaubernde „Michelle“ von den Beatles, die Christoph besonders mag.
Es war eben wieder eine wunderbare winterliche Abendmusik.
Vielen herzlichen Dank an Christoph und an alle Mitwirkenden!
Roland Schiffter
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