Vergnügt. Erlöst. Befreit. - Aus gutem Grund evangelisch!

Vergnügt. Erlöst. Befreit. - Aus gutem Grund evangelisch!

Vergnügt. Erlöst. Befreit. - Aus gutem Grund evangelisch!

# Theologie

Vergnügt. Erlöst. Befreit. - Aus gutem Grund evangelisch!

Liebe Geschwister,

wir haben uns in den vergangenen Wochen - im leider kleinen Kreis - mit Kerninhalten unseres evangelisch geprägten christlichen Glaubens auseinandergesetzt.

Wo es um diese Essentials geht, spielen ausformulierte Glaubensbekenntnisse eine wichtige Rolle als Dokumente der Selbstreflexion und teilweise auch der Selbstverpflichtung.

Das ist so bei dem Bekenntnis aus Belhar, Südafrika, in dem 1986 klar zum Ausdruck kommt, daß es keine andere Zugangsvoraussetzung zur christlichen Kirche geben darf als jene, an Jesus Christus zu glauben und zu ihm gehören zu wollen, völlig unabhängig von der Hautfarbe.

Das war freilich im Apartheidstaat jener Jahre ein Politikum - und besagtes Dokument ist auch heute noch brisant, bringt es doch in wünschenswerter Klarheit zum Ausdruck, daß Christen dort zu stehen haben, wo Gott selbst steht: auf der Seite der Unterdrückten.

Nein, eigentlich ist das unumstritten, eigentlich ist das Konsens - wenigsten bei synodalen Erklärungen und offiziellen Verlautbarungen unserer Kirche.

Aber wie steht es damit im gelebten Gemeindealltag an Ort und Stelle?

Es zeigt sich ja oft schon im Umgang mit Kleinigkeiten, daß hehre Überzeugungen dem Zwang zur Sparsamkeit kaum standhalten, wo es beispielsweise um ökologisch verantwortlichen Konsum geht (Frage: was kommt beim Gemeindefest auf den Grill?), und daß auch die Bequemlichkeit uns oftmals daran hindert, den proklamierten CO2-Verzicht in die Tat umzusetzen; allerdings haben wir uns vorgenommen, im kommenden Jahr ein Lastenfahrrad anzuschaffen.

Bei aller gebotenen Selbstkritik sei aber auch bemerkt, daß die Kirche heute unübersehbar  eine andere ist als noch vor - sagen wir - 30 Jahren. Während meines Vikariats gab es den einen oder anderen Kollegen, der sich hinter vorgehaltener Hand als schwul geoutet hat. Heute hingegen gibt es hochoffizielle Agenden für die kirchliche Trauung gleichgeschlechtlicher Paare...

So sehr es uns am vergangenen Mittwoch um die Frage ging, wie sich Kirche immer wieder wandeln muß, um sich selbst und ihrem Auftrag treu zu bleiben (und andererseits trotz allem erforderlichen Wandel einen Wesenskern aufweisen muß, an dem sie über die Zeiten hinweg erkennbar bleibt), so sehr wir in Anbetracht einer langen - und sehr gebrochenen - Tradition danach fragen, was heute “dran” ist für unsere Kirche, komme ich dennoch nicht umhin, immer wieder auf jene bahnbrechende Bekenntnisschrift Bezug zu nehmen, in der unsere Väter und Mütter vor nunmehr fünfundachtzig Jahren in Worte gefaßt haben, was Christsein für sie bedeutet; ich halte das nach wie vor für maßgeblich.

In der Barmer Theologische Erklärung von 1934 hatte man in Abgrenzung von einer dem Führerprinzip verpflichteten “Reichskirche”, die plötzlich auch einen evangelischen “Reichsbischof” bekommen sollte, festgehalten:

Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.

Zuvor hatte man in der dritten These positiv zum Ausdruck gebracht, was Kirche in ihrem Wesen ausmacht und wozu sie daher auch verpflichtet ist:

Sie hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder zu bezeugen, daß sie allein Christi Eigentum ist, allein von seinem Trost und von seiner Weisung in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte.

Da haben wir beides zugleich, liebe Geschwister:

Die nach Gottes Wort erneuerte Kirche lebt einzig daraus und dafür, als Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern so zusammenzuleben, daß sowohl für sie selbst als auch für alle anderen, die ihre Existenz von außen wahrnehmen, deutlich wird: Hier wird die Frohe Botschaft von der Liebe Gottes bezeugt, indem man sie lebt.

Die Aufgabe einer beständigen Erneuerung betrifft in erster Linie die unaufgebbare Hinwendung zu den Quellen - weswegen wir unsere Reihe von Gesprächsabenden am 6. November sehr bewußt mit dem Thema “sola scriptura” begonnen haben.

Einmal mehr haben wir uns klarzumachen versucht, daß es nicht etwa um die “Buchreligion Christentum” geht - wo doch der Buchstabe tötet und allein der Geist lebendig macht.

Nicht das bedruckte Papier interessiert - als ein Fetisch immer wieder mißbraucht (man sehe sich nur mal den Werbestand von Jehovas Zeugen an!) - nicht “die Schrift” als solche, sondern der Inhalt, der mit der schriftlichen Überlieferung transportiert wird.

Es gibt jede Menge Skepsis gegenüber einem sehr dicken und sehr alten Buch, das man schlecht in einem Stück von vorn bis hinten durchlesen kann - und wenn man es unternähme,  brauchte man dazu einen sehr langen Atem.

Es gibt viele Vorbehalte gegenüber einer in mancher Hinsicht antiquierten Schrift, die deutlich anthropozentrisch und aus männlichem Blickwinkel entstanden (und immer wieder in diesem Sinne interpretiert worden) ist und einem antiken Weltbild verpflichtet scheint, das heute niemandem mehr vermittelbar ist, auch nicht uns selbst.

Andererseits: Wenn sogar ausgesprochene Atheisten wie Bertolt Brecht die Bibel eine spannende Lektüre genannt haben, dann kann es so langweilig wohl nicht sein, sich in ihren Erzählfaden einspinnen zu lassen.

Und wenn man erst einmal bei den Psalmen angelangt ist, muß man kein Fan von Lyrik sein, um in einer reichen Bilderwelt zu schwelgen, der man bei Gelegenheit selbst Worte entleihen kann für ureigene Gedanken und Gefühle, für innige  Klagegebete hier und feurigen Lobpreis dort.

Wenn man sie denn also aufzuschlagen wagt, wird ein unverstellter Blick auf die Heilige Schrift uns je und je zu der immer gleichen  Erkenntnis führen, daß wir Gott allein aus Gnade um Jesu Christi willen recht sind, was wir nicht anders als im Glauben als Geschenk empfangen können.

Und damit sind wir nun bei dem angelangt, was der bayerische Theologe Gerhard Bauer Mitte der 80er Jahre so formuliert hat, daß es mich beim ersten Lesen wie ein Hammer traf: Ja, wir sind Christi Eigentum, wenn wir uns Christen nennen, und also hat er Macht über uns.

Wir sind mit diesem christlichen Bekenntnis zugleich bei denen, an deren Seite wir als Geschwister gehören: Bei den Jüdinnen und Juden, aus deren Mitte unser Bruder und Herr Jesus Christus kam.

Der Lutheraner Bauer hat damit einen jener Akzente verschoben, die der Reformator mit seinen vier “allein” gesetzt hatte. “Was Christum treibet” - so lautete die Empfehlung des Wittenbergers, das finde man durchgängig auch im Alten Testament - wo aber kein Hinweis auf Christus zu finden sei, da lohne die Lektüre den Aufwand kaum.

Demgegenüber hat sein Zürcher Kontrahent festgehalten, daß nichts “Christum treibet”, weil der Messias selbst Subjekt ist und bleibt und es also heißen muß: “Was Christus treibet”.

Das wiederum ist ein Geschenk, ist reine Gnade: Die Annahme der Gottlosen aus unverdienter Liebe.

Dafür ist Gott in Christus Mensch geworden, hat sich ganz auf uns eingelassen, sich uns zugewendet in Worten und Werken - wo er jedoch auf Ablehnung, Haß, Gewalt traf; der Sohn Gottes, unser Bruder und Herr, mußte leiden und sterben.

Und trotzdem hat der Tod nicht das letzte Wort behalten.

Mit seiner Auferweckung ist auch uns der Weg bereitet zu einem Leben in der Gegenwart Gottes - einem Leben, das dem Tod nicht mehr unterworfen ist.

Kann man’s fassen?

Nein, Menschen ist das nicht möglich.

Der Glaube selbst ist auch ein Geschenk.

Sogar, wenn jemand Sehnsucht nach Gott hat - was manche schon als den Beginn des Glaubens bezeichnen -, hat man es doch nicht in der Hand, sich Gott zu nähern, bis man schließlich den Glauben “hat”.

Glauben ist, menschlicherseits, Vertrauen.

Glauben ist ein Sich-unbedingt-auf-Gott-Einlassen.

Ist: Christus nachfolgen, mit Haut und Haar.

Und deshalb ist Glauben kategorial anderes als das Fürwahrhalten von eigentlich Unwahrscheinlichem.

Glaube ist darin der Liebe sehr ähnlich.

Auch die Liebe kann nicht wirklich bewiesen werden.

Aber man kann zeigen, daß man sich geliebt weiß und daß man jemanden liebt.

Eben darauf zielt auch Gottes Tat in Christus: Daß wir dankbar annehmen, was uns geschenkt ist, daß wir dann aber auch so leben wie Leute, die aus der Beziehungslosigkeit befreit wurden und nun unser Gegenüber kennen, den, der uns liebt und möchte, daß auch wir lieben - Gott und unseren Nächsten wie uns selbst.

Wer’s glaubt, wird selig!

Amen.

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