(Nicht nur ein bisschen) FRIEDEN

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# Theologie

(Nicht nur ein bisschen) FRIEDEN

Friede sei mit euch von dem, der da ist und der da war und der da kommt! AMEN.

“Frieden!”, rief der Engel mit sanfter Stimme, immer wieder “Frieden!” Bis er herunterfiel und zerbrach - und damit auch der Familienfrieden in Heinrich Bölls Erzählung “Nicht nur zur Weihnachtszeit”.

Ein Friedensengel, der den Krieg ebenso wenig aufhalten kann wie das viele Geld der Familie nicht darüber hinwegzutäuschen vermag, daß am Ende des Zweiten Weltkriegs auch für die Privilegierten sogar das tägliche Brot knapp geworden ist und man sich allmählich doch Sorgen macht darüber, wie all das weitergehen soll.

Das war vor rund 75 Jahren in Deutschland.

Das geschieht aber in Variationen auch heute - in der Ostukraine, wo Rußland seine dreckigen Finger im Spiel hat, im Norden Syriens, aus dem der Diktator Erdogan die Kurden vertreibt,  an leider sehr vielen Orten dieser Erde.

Wo führt das noch hin, liebe Gemeinde?

“Wir wollen doch nur unseren Frieden, weiter nichts.”

Diesen Satz werden mir vermutlich die allermeisten der hier Versammelten ebenso unterschreiben wie auch alle möglichen anderen Leute, die wir auf der Straße treffen, in der U-Bahn, im Treppenhaus.

“Wir wollen doch nur unseren Frieden. Ist das denn zuviel verlangt?”

Weltumspannend ist dieser Wunsch zu vernehmen.
Es klingt fast wie ein Ruf nach Weltfriede.
Wir hören ihn - wenn wir hinhören - in Palästina, Afghanistan, Xinjiang, Hong Kong, Venezuela...

FRIEDEN!

Nicht so zart wie der Friedensengel auf dem Christbaum jener christlichen Kaufmannsfamilie aus Bölls Erzählung, sondern laut, drängend, flehend, fordernd erklingt dieser Ruf.

FRIEDEN!

Beinahe klingt es wie die Weihnachtsbotschaft.

Aber es ist doch ganz oft nicht mehr als ein fauler Friede, ein “Laß-mich-bloß-in-Ruhe!-Frieden”.

“Laß uns in Frieden, Pfarrer”, mußte ich mir am Mittwoch vergangener Woche anhören bei der Weihnachtsfeier des “Café Mittendrin”.

Was war geschehen?

Ich hatte es gewagt ein vorgetragenes Gedicht zu kritisieren.

Ich nannte es einen Text, den ich im Gemeindezusammenhang ebenso wenig hören möchte wie hohle Stichworte ohne Konkretion - mögen sie noch so schön klingen: “Hoffnung” etwa oder “Gerechtigkeit” - oder eben “Frieden”.

Da war der Pfarrer früher friedfertiger!

Der hat den Leuten nicht dreingeredet.
Der war fröhlich und nicht so radikal.
Der kam den Leuten nicht immer mit der Bibel, sondern hat ihnen die Volksfrömmigkeit gegönnt, die nun mal nicht so genau danach fragt, wo dieses herkommt und jenes hinführt.

Ich hatte also manchen die Stimmung verdorben, weil ich daran Anstoß nahm, daß gegen Ende des Gedichtes das Christkind dadurch für weihnachtliche Freude sorgte, daß es “den Christbaum brachte”. Zuvor hatte es geheißen, daß sich die Kinder in ihrem Verhalten am braven Christkind ein Beispiel nehmen sollten.

Und nun also dieser Störenfried, der den Gemütsmenschen den Weihnachtsbaum madig macht und den Eltern nicht gönnt, daß ihre Kinder brav und folgsam sind.

Wir wollen doch Frieden, Pfarrer, Frieden!

Kannst du uns nicht bitte in Frieden lassen mit deinen Pingeligkeiten im Umgang mit Gott?!

Na klar kann ich.
Kaum etwas ist leichter als das!

Man kann sich ja einfach hinstellen und behaupten, es herrsche längst Frieden.

Die Römer haben das gemacht - damals, zur Zeit der Geburt Jesu.

Das hat den Leuten außerhalb Italiens zwar nicht gefallen; aber die wurden gar nicht erst gefragt, sondern mit einer “Pax Romana” beglückt, die ihnen - das muß man zugestehen - relativ ruhige Lebensverhältnisse und sogar einen gewissen zivilisatorischen Fortschritt bescherte.

Aus Sicht der Machthaber war das eine prima Sache:
Es herrscht Ruhe und Ordnung, jeder weiß, was er zu tun und zu lassen hat, die Leute gehen ihrer beruflichen Tätigkeit nach und zahlen brav ihre Steuern, von denen wiederum die Soldaten bezahlt werden, die darüber wachen, daß alles so bleibt, wie es ist.

Stabile Verhältnisse. Und eine klare Ansage: Oben ist oben, und unten ist unten.

“Was für eine gute alte Zeit!”, mögen manche Leute denken: Da gab es keine Asylsuchenden, da gab es keine Arbeitsmigranten. Da existiert keine Rollenunklarheit zwischen Männern und Frauen, zwischen Einheimischen und Zugereisten. Vor allem gibt es keine Diskussion darüber, was zu tun sei und was nicht. Das wird nämlich schlichtweg vorgegeben. Punkt. Keine Widerrede!

Zwar gab es im Römischen Reich - das muß man schon einräumen - ein kulturelles Durcheinander zwischen der einheimischen Bevölkerung und den ausländischen Autoritäten: Eine andere Sprache - Aramäisch hier, Latein dort -, eine andere Religion - Heidentum auf der einen Seite, das Judentum auf der anderen -; da ist schon auch die Identität in Frage gestellt.

Aber - wie gesagt: Man riskierte zwar, gekreuzigt zu werden, wenn man sich mit Rom anlegte; aber man profitierte durchaus auch von Wasserleitungen und anderen Segnungen der globalen Leitkultur.

So wie heutzutage zwar die Nase gerümpft wird über Trumps Lügen und seine politische Inkonsistenz; aber wer würde deshalb gleich Coca Cola verschmähen?!

Auch wir, heißt es, leben doch im Frieden - in einer einzigartig langen Friedensperiode sogar, die am 8. Mai 1945 begann - in den Trümmern des Naziregimes, verbunden mit Hunger, Vertreibung und Vergewaltigung. Aber immerhin: Kein Krieg in unserem Land seither!

Abgesehen mal von der Beteiligung der Bundeswehr an zahllosen militärischen Konflikten - von Jugoslawien bis Afghanistan, von Mali bis zum Horn von Afrika.

Abgesehen selbstverständlich auch von dem einträglichen Geschäft mit Präzisionswaffen  Made in Germany, und natürlich auch ungeachtet einer deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik, die nach Stärke strebt und den eigenen Vorteil sucht und nicht etwa am Interessenausgleich zwischen Arm und Reich ausgerichtet ist oder sich in einer Mittlerrolle sieht zwischen feindlichen Lagern.

Der Friede Gottes, liebe Gemeinde, ist so ziemlich genau das Gegenteil von alledem.

Und es ist dieser Friede, Gottes Friede, der uns in der Heiligen Nacht verkündigt wird.

Jesus Christus ist das Friedensprojekt zwischen Gott im Himmel und uns Menschen auf dieser Erde und ebenso der Friedensmittler zwischen uns Menschen.

Jesus Christus, das Friedensangebot Gottes an uns, ist allerdings einer, der selber von sich gesagt hat, er sei nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

Freilich ist damit keine Waffe aus Stahl gemeint - wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen, sagt er ja auch - , sondern das Schwert des Wortes geht zu Herzen, ruft zu einer Entscheidung, ist ein Aufruf zu einer Trennung von denen, die zwar “Friede!” sagen, aber Krieg machen oder zumindest nichts dagegen unternehmen, daß Krieg herrscht allenthalben.

Gottes Friede ist nicht darauf aus, einen Sieg zu erringen, sich überlegen zu zeigen.

Gott wählt den Weg der Hingabe, des Machtverzichts:

Aus der Unsichtbarkeit des Himmels und der Erhabenheit seiner Allmacht tritt er heraus, um ein Mensch zu werden, ein hilfloses Neugeborenes, Kind eines Elternpaares, das sich  fern der Heimat aufhält und alsbald genötigt sein wird, sogar ihr Land zu verlassen auf der Flucht vor Willkür und Gewalt.

Erwachsen geworden, bezeugt dieser Jesus in Worten und Werken den Menschen die Liebe Gottes.
- Und was ist der Dank?

Empörung, Ablehnung, Anklage, Verurteilung, Verachtung, Folter und Hinrichtung.

Eilig begraben sie ihn und wälzen einen Stein davor: Bloß weg mit der Liebe Gottes!
Bloß weg mit einem solchen Frieden;

- einem Frieden, der auch anderen gilt, unterschiedslos;

- einem Frieden, der wehrlos macht, weil er ohne Waffen auskommt;

- einem Frieden, der keinen Sieger kennt und keinen Besiegten.

Und trotzdem behaupten wir unbekümmert, Gott habe uns seinen Frieden geschenkt.

Obwohl wir ihn doch zurückgewiesen haben!

Und dennoch wird alle Jahre wieder die Botschaft vom Frieden gehört und bejubelt.

Auch wenn sie weiterhin auf taube Ohren stößt.

“Wir wollen doch bloß Frieden, weiter nichts!”

Ja, Leute - dann nehmt doch endlich Gottes Friedensangebot an!

Was soll er denn noch alles anstellen, um Euch von seinem Friedenswillen zu überzeugen?!

Seht auf das Kind in der Krippe: Gott begibt sich in unsere Hand!

Seinen Frieden annehmen, heißt, seinen Frieden weitersagen und weitertragen.

Das fängt im Nahbereich an, im Umgang mit meinen Lieben, spart aber auch die unangenehmen und schwierigen Menschen nicht aus, denen ich begegne, und es reicht deutlich hinein in das politische und wirtschaftliche Tun und Lassen.

Nur eines, bitte, verwechselt nicht: Es gibt nicht “ein bißchen Frieden” - schon gar nicht mit Gott.

Bei Gott geht es ums Ganze:

Um Leben und Tod, Segen und Fluch, um Krieg oder Frieden, um Schuld und Vergebung, Liebe statt Haß.

Den Tod hat er in Jesus Christus auf sich genommen, damit wir das Leben haben.

So sehr hat er uns geliebt, all unserem Haß zum Trotz.

Er will uns aus Schuld befreien und Vergebung schenken, den Krieg aller gegen alle beenden, damit endlich Frieden werde -

Frieden auf Erden für die Menschen, denen er sich in Liebe zugewandt hat. Amen.

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