02/07/2024 0 Kommentare
Kennt auch dich und hat dich lieb
Kennt auch dich und hat dich lieb
# geistliche Texte

Kennt auch dich und hat dich lieb
Liebe Hausgemeinde!
“Wie geht’s?”, fragen freundliche Leute.
Nun, wie durch ein Wunder ist meine Hauterkrankung an der rechten Hand endlich weg, und meine entzündete Schulter tut auch nicht mehr weh - Gott sei Dank!
Und Ihnen - geht es hoffentlich auch gut?
Schön, wenn keiner von uns an dem Corona-Virus erkrankt ist!
Gleichwohl: Wer im Krankenhaus liegt, tut das ja nicht, weil es hier so interessant ist, sondern, um eine Erkrankung behandeln zu lassen und möglichst gesund zu werden.
Ich wünsche Ihnen, liebe Patientinnen und Patienten, baldige Besserung!
Aber zurück zu meiner Ausgangsfrage: Geht es uns - jenseits der Gesundheit - gut?
Sind wir mit unserem Leben zufrieden, womöglich gar glücklich?
Nach meiner Beobachtung wird diese Frage selten spontan beantwortet - außer bei Frischverliebten und bei Leuten, die sich gerade in einer gravierenden Lebenskrise befinden; die zögern nicht mit einem klaren “Ja” bzw. einem entschiedenen “Nein!”
Bei vielen Menschen führt erst ein Vergleich mit anderen dazu, sich bei denen zu verorten, denen es “gut” geht im Sinne von “besser als anderen” - oder gerade umgekehrt “schlecht”, weil sie bei ihren Mitmenschen vermeintlich Besseres entdecken.
Der Blick nach rechts und links, nach oben und unten gehört quasi automatisch dazu, wenn gefragt wird: “Geht es dir gut?”; denn was ist schon absolut “gut” zu nennen?!
So fragwürdig - wenn auch verständlich - dieses Vergleichen unter uns ist, könnte es immerhin auch zutage fördern, daß es denjenigen, die sich unglücklich fühlen, immer noch verhältnismäßig gut geht.
So sehr wir mit gutem Grund besorgt sind, wie es mit der Pandemie weitergehen mag, können wir doch beruhigt feststellen, daß unser Land über ein Gesundheitssystem verfügt, das trotz allerhand Mängeln - vor allem im Hinblick auf das Personal und dessen Bezahlung - so gut ist, daß die Sterberate erheblich niedriger liegt als in vielen anderen Ländern mit ähnlich hohen Zahlen an Covid-19-Infizierten.
Auch da vergleichen wir, unwillkürlich. Doch nicht genug damit, daß wir stets und ständig mit anderen konkurrieren - um Anerkennung, Einfluß - und es uns nicht reicht, “gut” zu sein; wir wollen immerzu “besser” sein als andere.
Ja, die Konzentration auf das eigene Ego kann so weit gehen, daß wir in all unserem Vergleichen jegliches Koordinatensystem verlieren.
In der Theologie nennen wir diese Ich-Zentrierung “Sünde”.
Der Blick auf den Nächsten - ein angstfreier, liebevoller Blick, der gönnen kann und bereit ist, Impulse aufzunehmen, um zu lernen - kann helfen, uns so anzunehmen, wie wir sind: mit allen Möglichkeiten und Grenzen, Stärken und Schwächen.
Und ein ehrfürchtiger Blick nach “oben” könnte uns im besten Falle Demut lehren und dazu beitragen, die Dinge wieder an den rechten Platz zu rücken - auch uns selbst.
Unser heutiger Predigttext aus dem Buch des Propheten Jesaja setzt genau hier an:
25 »Mit wem wollt ihr mich vergleichen?
Wer kommt mir gleich?«, spricht der Heilige.
26 Richtet eure Augen nach oben und seht, wer das alles geschaffen hat!
Seht ihr dort das Heer der Sterne?
Er läßt sie aufmarschieren in voller Zahl.
Mit ihrem Namen ruft er sie alle herbei.
Aus der Menge, vielfältig und stark, darf kein einziger fehlen.
27 Wie kannst du da sagen, Jakob, wie kannst du behaupten, Israel:
»Mein Weg ist dem Herrn verborgen!
Mein Recht entzieht sich meinem Gott!«
28 Hast du’s noch nicht begriffen? Hast du es nicht gehört?
Der Herr ist Gott der ganzen Welt.
Er hat die Erde geschaffen bis hin zu ihrem äußersten Rand.
Er wird nicht müde und nicht matt.
Keiner kann seine Gedanken erfassen.
29 Er gibt dem Müden neue Kraft und macht den Schwachen wieder stark.
30 Junge Burschen werden müde und matt, starke Krieger straucheln und fallen.
31 Aber die auf den Herrn hoffen, bekommen neue Kraft. Sie fliegen dahin wie Adler.
Sie rennen und werden nicht matt, sie laufen und werden nicht müde.
Es herrscht eine tiefgreifende Krise, liebe Gemeinde!
Nein, ich meine ausnahmsweise nicht unsere Situation mit der Corona-Pandemie; ich meine die Lage der Israeliten zur Zeit des “zweiten” Jesaja: Nach verlorenem Krieg, fern der Heimat, ohne ihren Tempel, wähnen sie sich von Gott verlassen.
In diese Trübsal hinein spricht der Prophet ein Trostwort und macht einen bemerkenswerten Aufruf - zum Vergleich.
Auch sonst in der Bibel werden Himmel und Erde oftmals zueinander in Beziehung gesetzt - aber stets so, daß klar ist, daß es sich hier um zwei Größen handelt, die man in Wahrheit nicht miteinander vergleichen kann: Gott und Mensch mit ihren jeweiligen Wirkungs- und Verantwortungsbereichen.
Sehr häufig werden wir in der Heiligen Schrift auf Gottes Taten hingewiesen und dazu aufgefordert, sein Wirken wahrzunehmen; allerdings ist biblisches Erzählen viel stärker an Gottes Mitgehen in der Geschichte interessiert als an kosmischen Dimensionen.
Da muß erst ein Hiob seinen Widerspruch auf die Spitze treiben, bis Gott sich veranlaßt sieht, ihm vor Augen zu führen, daß man Gottes Sphäre und unseren Wirkungskreis schlicht nicht miteinander vergleichen kann, daß wir “Staubkörner” sind und unser Leben einen Wimpernschlag dauert - oder, wie es im 90. Psalm heißt, daß 1000 Jahre vor Gott sind wie eine einzige Nachtwache.
Oh, die kann lang sein, quälend lang!
Wenn man dem Morgen mit Bangen entgegen sieht - der Operation oder der Bekanntgabe der Diagnose, womöglich der Entlassung nach Hause -, dann wollen die Minuten nicht vergehen, und Sekunden ziehen sich hin wie Stunden.
Dann wirkt eine einzige Nachtwache am Ende so, als hätten wir Jahre damit zugebracht, darauf zu warten, daß es endlich Morgen wird.
25 Mit wem wollt ihr mich vergleichen? Wer kommt mir gleich?, spricht der Heilige.
Gottes Ansprache klingt gereizt und vorwurfsvoll.
Er fragt ja auch nicht wirklich, sondern stellt hier rhetorische Fragen, die man eigentlich nur mit “niemand” beantworten kann: Mit nichts und niemandem ist Gott vergleichbar, keiner kommt ihm gleich.
Das sollte eigentlich klar sein - zumindest denen, die diesen Gott, unseren Gott kennen; den Gott, wie er sich uns in seinem Wort und in seinem Tun zu erkennen gibt von der ersten bis zur letzten Seite der Bibel und unüberbietbar in jenem Wort, das Fleisch geworden ist und unter uns wohnte: Jesus Christus, seinen Sohn, unsern Herrn.
Dessen Auferstehung haben wir gerade erst vor einer Woche gefeiert.
Nicht wie sonst - mit festlichen Gottesdiensten.
Auch auf Familienbesuche mußten wir weitgehend verzichten.
Nicht aber auf die Frohe Botschaft, daß der Tod verschlungen ist in den Sieg.
Daß das Grab leer vorgefunden wurde, ist ja zunächst einmal eher erschreckend; genau so haben die ersten Zeuginnen auch reagiert.
Aber der Lebendige, den wir nicht bei den Toten finden, weist seinen Jüngern den Weg zu neuem Leben in der Gemeinschaft mit Gott.
Das ist - weiß Gott! - anderes als das “Frühlingserwachen” der Natur!
Auch Jesaja weist hier nicht auf Gottes große Taten in Israels Geschichte hin.
Das verbot sich wohl auch in seiner Situation, in der alle Brücken zur Vergangenheit abgebrochen schienen und an Zukunft vor lauter Alltagssorgen noch gar nicht zu denken war.
Er fordert uns auf, den Blick auf die Sterne zu richten - und dabei sozusagen im Geiste die ersten beiden Seiten der Bibel aufzuschlagen:
Gott hat das alles gemacht, hat es wunderbar gemacht; er hat es gemacht und für “sehr gut” befunden, weil diese Schöpfung seinen Lebewesen - insbesondere seinem Bundespartner, dem Menschen - Raum schafft: Daseinsgrund und Entfaltungsmöglichkeiten.
Das klingt ein wenig spekulativ, und die Heilige Schrift ist aus gutem Grund sehr zurückhaltend, wenn sie von Gottes Schöpfungswerk erzählt.
Ich erlebe gelegentlich, wie jemand meint, sich entschuldigen zu sollen - weil es mich möglicherweise in meinen religiösen Gefühlen verletzten könnte -, wenn von Evolution und Urknall gesprochen wird.
Nein, ganz und gar nicht. Das sind sehr plausible Erklärungsmuster.
Ich bin naturwissenschaftlich stark unterbelichtet; aber ich erinnere mich noch an den Vortrag eines Astrophysikers vor ein paar Jahren, der unserem Pfarrkonvent Zahlen und Fakten nannte - und uns darüber staunen ließ, wie viele Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Leben, wie wir es kennen, überhaupt möglich ist.
Das, liebe Gemeinde, ist das eigentliche Wunder!
Das ist es, worauf der Prophet Jesaja hinweist, wenn er ruft:
26 Richtet eure Augen nach oben und seht, wer das alles geschaffen hat! Seht ihr dort das Heer der Sterne? Er läßt sie aufmarschieren in voller Zahl. Mit ihrem Namen ruft er sie alle herbei. Aus der Menge, vielfältig und stark, darf kein einziger fehlen.
Nur ist es nicht so herum, daß wir aus dem Rätsel des Universums auf ein “höheres Wesen” schließen könnten, das - im Vergleich zu uns - größer, mächtiger, in jeder Hinsicht überlegen wäre.
So spekulieren die Menschen, die Gott - unseren Gott - nicht kennen.
28 Hast du’s noch nicht begriffen? Hast du es nicht gehört?
Der Herr ist Gott der ganzen Welt.
Er hat die Erde geschaffen bis hin zu ihrem äußersten Rand.
So lautet unser Glaubensbekenntnis.
Gott hat nicht irgendwann, an einem “Nullpunkt der Geschichte” einen Anfang gesetzt und sich dann zurückgezogen und uns alles weitere überlassen.
Sondern: Er ist der Herr der Geschichte, Gott regiert.
Gott in Christus nimmt es mit den Mächten des Todes auf - und wird augenscheinlich überwunden.
Aber das ist nicht das letzte Wort, das zu uns gesagt ist - und deshalb kann es auch nicht unser letztes Wort bleiben!
“Christus ist auferstanden, der Tod ist ein für allemal besiegt.”
- So lautet unser österliches Bekenntnis, mit dem wir dem Tod trotzen, ihm den letzen Respekt verweigern, uns nicht von der Furcht beherrschen lassen; weil wir auf Gott vertrauen.
“Wer’s glaubt, wird selig”, spotten die Allerweltsmenschen.
Ja, liebe Geschwister - in aller Schlichtheit und Deutlichkeit: Wer das glaubt, wer auf Gott vertraut, der ist nicht auf sich allein gestellt - im Leben und im Sterben.
Oder, mit den Worten des Propheten Jesaja gesagt:
31 Die auf den Herrn hoffen, bekommen neue Kraft. (...) Sie rennen und werden nicht matt, sie laufen und werden nicht müde.
Amen.
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